Am Montag, den 04.11.2013 um 19.00 Uhr stellt der Hispanist und Übersetzer Roland Berens in der JVA Bielefeld-Senne Horacio Quiroga vor und liest vor Gefangenen und einer zahlenmäßig begrenzten Öffentlichkeit*, aus dem von ihm zur Buchmesse Frankfurt 2010 (Partnerland Argentinien) herausgegebenen und übersetzten Band „Die Verbannten und andere Erzählungen“. Zu Beginn gibt es eine interessante Einführung in lateinamerikanische Geschichte und Kultur von 1492 bis ca. 1700.
Horacio Quiroga (1878 Salto, Uruguay – 1937 Buenos Aires) wird heute als der erste klassische Erzähler Lateinamerikas angesehen und erfährt dort eine ähnliche Verehrung wie bei uns Goethe, ist jedoch bei uns zu Unrecht bis heute völlig im Verborgenen geblieben. Er lebte lange Zeit als Aussteiger in der Wildnis des subtropischen Urwalds in der nordargentinischen Provinz Misiones. Sie bildet in vielen der siebzehn bisher nicht im Deutschen zugänglichen Erzählungen dieses Bandes nicht nur die Szenerie, sondern bestimmt häufig auch über Leben und Tod. Andere Geschichten erzählen von Dingen, die grausam, merkwürdig, unerklärlich oder traurig erscheinen: fatale Unfälle mit Todesfolgen, Grenzbereiche menschlichen Bewusstseins, Wahnsinn, Seelenwanderung oder Halluzination. Quiroga, einer der großen Erzähler der Weltliteratur, gilt deshalb als Vorläufer des magischen Realismus.
Horacio Quirogas Leben war durch eine Verkettung tragischer Unglücksfälle und Niederlagen geprägt. Todesfälle von engen Verwandten und Freunden begleiteten sein gesamtes Leben. Er wurde mehrere Male Zeuge, als ihm vertraute Menschen Selbstmord verübten. Er selbst verschuldete in jungen Jahren durch Unachtsamkeit den Tod eines Freundes und wählte, als er von seiner unheilbaren Krankheit erfuhr, den Freitod.
So haben viele Erzählungen einen autobiographischen Hintergrund. In der erstaunlich aktuellen Erzählung „Die Rückkehr der Anaconda“ lässt er die gesamte tropische Tierwelt, letztendlich vergeblich, gegen die Zerstörung ihres Reiches (den Regenwald) durch den Menschen ankämpfen. In „Abgetrieben“, einer seiner herausragenden Erzählungen, wird ein Urwaldbauer von einer Schlange gebissen. Dieser versucht alles, um dem herannahenden Tod zu entrinnen. Zu seinen bedeutendsten Darstellungen des Todes gehört „Der tote Mann“. Bei einem Arbeitsunfall stößt sich ein Farmer in der Wildnis seine Machete in den Leib. Der folgende innere Monolog konzentriert sich auf die Gedanken des Sterbenden, der sein Schicksal nicht akzeptieren will.
Der Band (Aisthesis Verlag) ist von nahezu allen deutschsprachigen Kulturredaktionen sehr positiv rezensiert worden. So verspricht die Lesung einen interessanten Beitrag zur lateinamerikanischen Literatur, Geschichte und Kultur.