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Zum 2. Literatur-Abend, zu dem der Katholische Gefängnisverein Siegburg e.V. einlud, hatte der Gefängnisseelsorger Werner Kaser den zahlreichen Teilnehmern einen besonderen Gast mitgebracht: Herrn Rüdiger Kaun.

„Herr Kaun ist ehemaliger Philosophielehrer“, so stellte ihn Herr Kaser schmunzelnd vor, „und - wie man in Justizkreisen sagt - Widerholungstäter!“ Herr Kaun war schon als Lehrer immer wieder mit seinen Philosophiekursen zu Gast in der JVA Ludwigshafen und gab als ehrenamtlicher Mitarbeiter Analphabeten in der JVA Frankenthal Unterricht im Lesen. In der JVA Siegburg leitet er seit einigen Jahren den Schachclub „Nette Leute spielen Schach“ und gemeinsam mit einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin und Herrn Kaser die Gesprächsgruppe Akoudad.

Herr Kaun ist einer der 51 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die derzeit in Projekten, Gesprächs- und Kontaktgruppen und in Freizeit- und Bildungsangeboten im Rahmen des Katholischen Gefängnisvereins mitarbeiten. Von den Inhaftierten werden die ehrenamtlich Tätigen geschätzt, da sie nicht der Institution Gefängnis angehören, freiwillig Zeit aufwenden und zuhören ohne zu verurteilen; für einige sind sie leider die einzige zuverlässige Brücke nach draußen. Diese Aspekte der ehrenamtlichen Tätigkeit wurden im einführenden Gespräch deutlich.

Dann folgte die erste Kurzgeschichte aus der Feder von Herrn Kaun, die sehr realistisch all die Dinge beschreibt, die einem Haftentlassnen am Tag der Entlassung begegnen können, und die Fragen und Ängste einer älteren Dame, die plötzlich und unvorbereitet mit dem Schicksal dieses jungen Mannes, der - da er sich unbedingt 5 Burger, „vernünftige“ Zigaretten und wahrscheinlich noch einige höherprozentige Getränke genehmigen musste - nun noch nicht einmal mehr das Geld hat, seinen Kumpel anzurufen, der ihn in Siegburg abholen wollte. In dieser Geschichte sind viele Einzelheiten aus Gesprächen mit Inhaftierten in einer Person verdichtet worden.

So gesehen, ist auch für Herrn Kaun die Arbeit im Gefängnis eine Bereicherung, denn er findet immer wieder Anregungen und Fragestellungen für seine Kurzgeschichten. Außerdem hat er das Glück, einer Autorengruppe anzugehören, in der die Teilnehmer sich mit Rat und Kritik gegenseitig unterstützen und die ihre Texte gemeinsam als Taschenbuch herausgeben.

Insgesamt stellten beide „Gastgeber“ 5 Geschichten vor, in denen die Spielarten des Bösen im Vordergrund standen: Raub, Diebstahl, Erpressung und Körperverletzung. Alle Texte wurden gemeinsam so kommentiert, dass die Zuhörer einen guten Einblick in die fremde „Lebenswelt“ hinter Gittern erhielten.

Auf die Frage, warum er ausgerechnet im Gefängnis ehrenamtlich tätig sei, antwortete Herr Kaun etwas spitzbügig: "Weil mich die bösen Taten, die andere tun, ich selbst nicht tue, aber vielleicht tun würde, faszinieren." Vom Abgleiten in die Kriminalität hätten ihn wohl sein intaktes Elternhaus und eine solide Ausbildung, die ihm alle Chancen für ein geglücktes Leben ermöglicht habe, bewahrt.

Während der Lesung wurde Gebäck in Form von kleinen Engeln gereicht. „Engel passen eigentlich ganz gut zum heutigen Abend“, meinte Herr Kaser augenzwinkernd. „Engel tun nie etwas Böses! Und manche Inhaftierte halten Ehrenamtler, die sie im Gefängnis besuchen, schlichtweg für Engel!“ Daher hatte er einen Inhaftierten gebeten, diese besonderen Plätzchen für diesen Literatur-Abend zu backen.

 

Die Veranstaltungsreihe wird am Freitag, dem 8. Mai um 19.30 Uhr mit satirischen Texten aus der JVA Siegburg fortgesetzt. Das Motto des Abends lautet „Wenn es nicht so traurig wäre…“