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Plötzlich hatten sie für Wochen mehr Zeit, als ihnen lieb war. Ihre Handys waren einkassiert, Fernsehen oder Treffen mit Freunden gestrichen. Jede Form von Ablenkung war willkommen – sogar sinnvolle. Was anfangs für sie vielleicht „aus der Not heraus“ entstand, wurde unerwartet zu einer Sache, auf die nicht nur sie sich am zweiten und dritten Nachmittag freuten. Ihre Dozentin freute sich ebenfalls darauf. Ganz konkret: Es handelte sich um eine Schreibwerkstatt in der Jugendarrestanstalt für Mädchen und junge Frauen in Wetter an der Ruhr.

Dort ging es nicht nur darum, was und wie etwas geschrieben werden kann, sondern auch um Ehrlichkeit, Mut und Wertschätzung in Bezug auf die eigene Person, um Respekt untereinander, Teamarbeit und gemeinsames Lachen. Die vier jungen Frauen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren „interviewten“ zunächst ihre Dozentin und beantworteten dann als „Hausaufgabe“ fünf Fragen über sich selbst. Fragen und Antworten, die in die Tiefe und unter die Haut gingen – Wünsche, Ängste und Prioritäten. Von Zielen wie „Ich möchte nach vorne schauen“ über Ängste wie „Wichtige Leute zu verlieren“, „Auf der Straße zu landen“ und „Versagen“ bis hin zu Wünschen wie Liebe, Geborgenheit und Akzeptanz war alles dabei. Bei einer anderen Aufgabe war Kreativität gefordert. Die Mädchen sollten aus spontan gesammelten Wörtern wie Selbstliebe, Nervosität, Stärke, Angst, Hund und Katze, Streit, Wasser und Uno Kurzgeschichten schreiben. Eine Aufgabe, die ihnen so viel Spaß machte, dass sie sich am Wochenende in den Freistunden weiter damit beschäftigen wollten.

Till Deipenwisch, Leiter der Arrestanstalt in Wetter, und seinem Team ist es wichtig, den jungen Frauen sinnvolle Angebote zu machen. Impulse, die sie anschließend mit nach „draußen“ nehmen können. Es gibt eine Bücherei, Projektarbeiten im Unterricht und kreative Angebote wie das Basteln von Geschenktüten. Ergebnisse, auf die sie stolz sein können, inklusive. Hinzu kommen immer wieder besondere Veranstaltungen, wie die Lesung des Journalisten und Autors Jörg Böckem, der in der Vergangenheit selbst mit einer Heroinsucht kämpfte. Nun gab es die Schreibwerkstatt, die bei den Teilnehmerinnen gut angekommen ist. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir das noch einmal machen“, erklärte Anstaltsleiter Till Deipenwisch. Und er nutzte die Gelegenheit, um seinem Team, das aus Sozialarbeitern, Vollzugsbeamten und einer Lehrerin besteht, Respekt zu zollen: „Sie sind alle sehr engagiert und versuchen wirklich, den Arrestantinnen in allen Lebenslagen zu helfen und Lösungen zu finden. Insbesondere auch für das Leben draußen – nach dem Arrest. Und das alles in der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung steht.“

Quelle (Text&Bilder): Daniel Große-Kreul, Oberlandesgericht Hamm