3. Projekt des Theaters und der JVA Aachen:
Mit der Theatergruppe „Die Biberköpfe“ und der JVA-Band „Planet AC“
Projektzeitraum: November 2011bis Juni 2012
Projektleitung/Regie: Ewa Teilmans
Projektbegleitung: Ruth Hildebrandt
Bühne: Detlef Beaujean
Mitarbeit: Ludger Singer
Regie-Assistenz: Peter van Os
Bühnenassistenz/ Requisite: Jörg Winterscheid
Kostümassistenz: Toni Walther
Assistenz Bühne/Technik: Dirk Fiedler
Es ging in dem neuen JVA-Theater-Projekt um das persönliche, verlorene Paradies jedes einzelnen, um den abhanden gekommenen Zustand von Unschuld. Das Schürfen in den eigenen Wurzeln, das Fremdgewordensein in der eigenen Geschichte verdichtet sich zu Fragen. Fragestellungen wachsen zu szenischem Material; manchmal kommt Erkenntnis dabei heraus, das Annehmen der eigenen Geschichte, eine Form von Integration, eine Chance für gelingendes Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten.
Collageartige Textkompositionen aus dem Themen- und Interessensbereich der Inhaftierten und choreographische Körper- und Sprachgestaltung sowie bildstarke Rauminstallationen und musikalische Interpretationen der JVA-Band „ Planet AC“ waren das Ziel dieses neuen, nunmehr dritten Projektes des Theater Aachen mit der JVA Aachen. Eigene Texte der Gefangenen und bekannte literarische Vorlagen wurden in der gemeinsamen Arbeit in neue Kontexte gestellt und somit Außenseiter der Gesellschaft zu Protagonisten von Kunst und Kultur. Geschlossene und unbekannte Orte wurden transparent und öffentlich und einem interessierten Publikum zugänglich.
Die Inhaftierten erarbeiteten gemeinsam mit der Regisseurin Ewa Teilmans ihre Stücke selbst, unter Einbeziehung biografischer Kontexte.
Leserbriefe nach den Aufführungen
Vielen Dank für den „einmaligen“ Abend in Ihren Räumen! Die Theater-Vorstellung war für mich sehr bewegend, beeindruckend, ich konnte die Menschen, ihre Unsicherheit, ihren Kampf und Kämpfchen untereinander gut nachvollziehen. Und dennoch habe ich während der Vorstellung nicht daran gedacht, „wo“ ich war. Sie haben mich, den Zuschauer an meinem Platz abgeholt und dann war ich/ fühlte mich wie eine von Ihnen, bzw. Sie waren wie ich und der Rest des Publikums! Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, bei Ihnen Gast gewesen zu sein.
Und ich wünsche allen Beteiligten Kraft, Demut, Selbstvertrauen und Gesundheit für jede Zeit!
Mit den besten Grüßen nach Aachen,
Anna Kroul
Ich war einer der glücklichen Besucher der Theateraufführung am 27.6. in der JVA. Vorher hatte ich in John Miltons „Paradise lost“ geblättert und mir Vorstellungen von dem gemacht, was mich erwartete. Hineingelassen zu werden, war schon eine theaterwürdige Zeremonie; und dann saß ich im Kreis der braven Aachener Kulturträger, und die Menge der Anstaltsinsassen strömte hinein: Männer, große, kräftige Männer; gegen keinen von ihnen hätte ich mich erfolgreich wehren könne. Als es dunkel wurde, verwandelte sich der Raum wahrhaftig in ein Theater mit einer doppelstöckigen Bühne; das Bild einer Punk-Rock-Gruppe baute sich auf, die starke befreiende Energie übermittelte, die Song-Texte und Dialoge erschienen als durchaus echte Gefühlsäußerungen der Akteure, die gewalttätige Diskriminierung des Dunkelhäutigen und ihre Auflösung waren so glaubhaft, dass ich eine Gänsehaut bekam, und die Kafka-Erzählung von dem Wartenden vor dem Tor des Gesetzes erzeugte tiefe Traurigkeit. Dass es dem Transvestiten gelang, mit seiner turbulenten Gesangs- und Tanzvorstellung den melancholischen Ort vergessen zu lassen und einen großen, allgemeinen Jubel zu erzeugen, gab dem Abend einen fulminanten Höhepunkt.
Ich habe gute Gründe, alle Beteiligten herzlich zu danken; und komme gern wieder in Ihr „Theater“.
Prof. Dr. W. Becker
Hallo Printe-Redaktion,
der gestrige Theater-Abend hat mich stark beeindruckt, denn: „Verlorenes Paradies“ ist ein sehr atmosphärisches Stück, dessen Sprache und mitreissende Musikeinlagen hinreichend genügten, um die „Parallel-Welt“ einer JVA darzustellen - und zugleich auch die Ängste und Hoffnungen der Inhaftierten hautnah widerspiegelt. Während der Vorstellung kamen mir die Worte von William Shakespeare in den Sinn: „Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht" ... Großartige Darsteller und Musiker - Menschen, denen ich wünsche, ihr Leben und Schicksal anzunehmen, zu bewältigen und nicht daran zu verbrechen oder sich brechen zu lassen. Ein herzliches Dankeschön an die Regisseurin Ewa Teilmanns, die diese Aufführung mit großem Engagement und Einfühlungsvermögen in Szene setzte, an die Anstaltsleitung und alle Verantwortlichen, die diese Vorstellung ermöglichten. Ein rundum gelungener Theater-Abend, der neugierig auf weitere Vorstellungen macht.
A. Bieder/Bonn