Katholischer Gefängnisverein Siegburg e.V. ließ Zauberlehrlinge ausbilden
Lehrlinge müssen in einem Betrieb normalerweise alles Unangenehmere erledigen: Material heranschaffen, schwere Lasten schleppen, fegen, putzen, aufräumen, für Getränke sorgen und als „Blitzableiter“ dienen, wenn es Ärger gibt. Sie sind Handlanger und „Mädchen für alles“. Haben sie eine Frage, weil ihnen ein Auftrag unverständlich erscheint, kann es sein, dass sie „angemault“ werden. Hinter vorgehaltener Hand beschweren sie sich bei Freunden über das schlechte Betriebsklima, im Betrieb selbst halten sie lieber die Klappe. Gesellen haben’s da schon wesentlich besser und der Meister verteilt die Arbeit und lässt sich bedienen.
Bei Zauberlehrlingen, die bei „ihrem Meister“, dem bekannten Zauberer Winfried Reers, an zwei Samstagen im August in die Lehre gingen, hatten es da viel besser: Winfried Reers nimmt seine Lehrlinge ernst, lässt sie nicht dumm aussehen, behandelt sie nicht von oben herab und hat eine „Engelsgeduld“ - zur Not erklärt er einen Zaubertrick so lange, bis der letzte ihn auch verstanden hat und beginnen kann, ihn umzusetzen. Seine Kritik an einer Darbietung gibt er als Vorschlag weiter - oft mit humorvollen Bemerkungen garniert, sodass seine Lehrlinge dies gut annehmen können. Er schafft es, sie von Anfang an so zu begeistern, dass sie sofort jeden Trick, den er vorstellt, lernen wollen. Sie üben sogar freiwillig - und dies ist im Knast äußerst ungewöhnlich - auf ihrer Zelle so lange, bis alles perfekt sitzt und gut und verblüffend präsentiert werden kann. Nur in einem ist er wirklich unerbittlich. Immer wieder fordert er seine Probanden auf: „Ihr müsst üben, üben, üben, denn man muss man seine Zaubertricks „im Schlaf“ beherrschen!“
Der Worksshop "verzaubert" seine Teilnehmer.
Und so sitzen acht jugendliche Teilnehmer des Zauberkurses, den der Katholische Gefängnisverein Siegburg e.V. zum 4. Mal veranstaltet, vor „ihrem Meister“ und verfolgen mit gebannten Blicken jede einzelne Bewegung, um auch den neuen Zaubertrick, den er ihnen vorführt, sofort zu durchschauen. Und dann wird spekuliert und geraten bis Winfried Reers das Geheimnis lüftet und jeder mit dem Umsetzen des Gezeigten beginnt. Und irgendwann kommt dann todsicher die Frage: „Können Sie auch Gitter verschwinden lassen!“ Mit einem Augenzwinkern erklärt Reers dann: „Wer weiß. Es gibt auch Tricks, deren Lösung ich nicht verraten werde, denn dann kann ich bald in meinen Zauberprogrammen nichts Neues mehr zeigen!“
Am Ende des Zauberkurses können die ausgebildeten Zauberlehrlinge eigenständig ein halbstündiges und sehr abwechslungsreiches Programm mit Zauberseilen, einer Memory-Box, Tüchern, Spielkarten, Gummiringen, Tassen, Softbällen und sogar einer Zeitung präsentieren. Alle diese Dinge erhalten die Lehrlinge in einer „Zauberkiste“, die außerdem noch einen Zauberstab und die Anleitung aller erlernten Zauberkunststücke enthält.
Beim Aufschluss - wenn mehrere Bewohner einer Abteilung im Freizeitraum zusammensitzen - oder bei Treffen mit Besuchergruppen absolvieren die Zauberlehrlinge ihre ersten kleineren Auftritte. Das motiviert dann noch mehr, denn so kann jeder zeigen, dass mehr in ihm steckt, als immer wieder nur negativ aufzufallen.
Zaubern kann auch eine Zukunftsperspektive sein.
„Mit Zaubern lässt sich natürlich auch Geld verdienen“, so erklärt Winfried Reers. „Wenn Ihr übt und Eure Kunststücke gut präsentieren könnt, könnt Ihr mit dem hier Erlernten auf Kindergeburtstagen und Partys auftreten und Honorare vereinbaren!“ Zum Glück für den Katholischen Gefängnisverein hält er sich bei seinen Lehrveranstaltungen in der JVA Siegburg nicht an diese Regel: Großzügig verzichtet er auf sein Honorar. Daher muss der Gefängnisverein nur die notwenigen Materialen finanzieren.
Der Worksshop ist mehr als ein "Bespaßungsprogramm" für Gefangene.
„Zaubern im Knast ist aber weit mehr als ein „Bespaßungsprogramm“ für gelangweilte Häftlinge, die jede Gelegenheit nutzen, um nicht alleine in ihrer Zelle zu sitzen!“, erklärt Werner Kaser, der Geschäftsführer des Katholischen Gefängnisvereins. „Ich muss rauf auf die Bühne, mich und meine Kunststücke präsentieren und kann mich nicht im „Mauseloch“ verkriechen. Beim Zaubern muss ich mich konzentrieren, Worte und Aktionen müssen genau aufeinander abgestimmt sein. Ich muss meine Zuschauer „fesseln“, sie beeindrucken … und Applaus - wenn alles perfekt geklappt hat - tut ja jedem gut! Letztlich werde ich selbstbewusster, wenn ich selbst vor wichtigen Leuten eine gute Figur mache. Einige unserer Zauberlehrlinge sind immerhin vor einigen Jahren einmal vor der ehemaligen Justizministerin unseres Landes, Frau Roswitha Müller-Piepenkötter, aufgetreten!“
Mancher Zauberlehrling wünscht sich übrigens in den Betrieben draußen Meister, die sie ähnlich motivieren, sie ernst nehmen und sogar beim Aufräumen mithelfen, wie dies für Winfried Reers selbstverständlich ist.
Weitere Informationen:
Galerie zum Zauber Workshop
Impressionen des 4. Zauber-Workshops in der JVA Siegburg
Der zaubernde Diakon Winfried Reers
Offizielle Webseiten des Winfried Reers, Zauberer und Mitglied im Magischen Zirkel von Deutschland.